Konnten die Amis in den Sechzigern etwas von den Deutschen lernen? Mit dieser Fragestellung kam John Burchard, angesehener Architekturkritiker und -historiker, Präsident der American Academy of Arts and Sciences, 1963 nach Westdeutschland und untersuchte monatelang die wiederaufgebauten Großstädte der Republik im Hinblick auf Architektur und Stadtplanung.
Bereits 18 Jahre vorher „...when the rubble in all German cities would have provided enough material for a wall four feet thick and eight feet high around the United States. 1 ” bereiste Burchard im Auftrag der US-Regierung das völlig zerstörte Deutschland und war vor diesem Hintergrund von den vollzogenen Wiederaufbauleistungen unter schwierigsten finanziellen Bedingungen sehr beeindruckt.
Es war nicht die typisch US-amerikanische The-Next-Big-Thing-Architektur, die in erster Linie Feuilletons, Architekturkritiker und Architekten kurzfristig begeisterte, sondern durchdachte, funktionierende, für Menschen und ihre Bedürfnisse geplante Architektur, die er in Deutschland vorfand.
Sein besonderes Lob findet die social architecture, die für ihn sozialer Wohnungsbau, Theater, Museen, öffentliche Bäder, Stadthallen, aber auch Kirchen einschließt.
Burchard sah den Grund für die „funktionierendere“ deutsche Architektur in einer wesentlich besseren Ausbildung der Architekten. So waren über die Hälfte der renommierten bundesdeutschen Architekten auch mit Lehraufträgen an Hochschulen präsent, in den USA waren es lediglich ein Drittel der angesehenen Architekten. Auch war der Austausch der lehrenden Architekten zu anderen akademischen Fakultäten wie z.B. der Soziologie intensiver als in den USA.
Im Wiederaufbau-Städteranking sieht Burchard Gewinner und Verlierer. Berlin, Stuttgart und Düsseldorf werden für gelungene architektonische und städtebauliche Wiederaufbaumaßnahmen hervorgehoben; München, Hannover und Köln fallen in seinem Urteil zurück.
Nahezu euphorisch lässt er sich über das Phoenix-Hochhaus (später Thyssen-Hochhaus oder Dreischeibenhaus) in Düsseldorf aus. Für ihn war es der Inbegriff gelungener, eigenständiger Wiederaufbauarchitektur aus Deutschland und somit Grund genug den Einband zu schmücken und im Titel des Buchs Erwähnung zu finden.
Burchards Antwort auf seine Fragestellung:
Ja, die Amis konnten etwas von der deutschen Baukultur lernen.
Weniger Show und Chi-Chi, dafür mehr Inhalt.
1 https://mitpress.mit.edu/books/voice-phoenix
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