HHU Düsseldorf: Audimax #2
Baukategorie Bildung
Baustil 1945-jetzt Moderne, 1945-1975 Nachkriegsmoderne, 1950-1980 Brutalismus
Beschreibung Gebäudekomplex 23: Hörsaal 3A, Audimax, Konrad-Henkel-Saal

In bleibender Erinnerung blieben die Physikvorlesungen für Naturwissenschaftler im Grundstudium während meiner Studienzeit im Audimax. Weniger die Inhalte, sondern die originelle und interessante Präsentation durch Prof. Dr. Gernot Decker war um Welten besser als alles, was ich ansonsten an der Uni besucht habe. Besonders beliebt waren die alljährlichen Karnevalsvorlesungen mit obskuren Experimenten, die regelmäßig das Audimax sprengten (durch den Massenandrang, wohlgemerkt). Herr Decker starb im Dezember 2013.


Heinrich-Heine-Universität HHU Düsseldorf 1966 - 1979
Planung Hochbauamt Düsseldorf
Architekten: Jens Peter Volkamer, Konstanty Gutschow, Frank Wetzel, Konrad Beckmann, Georg Lippsmeier, Christoph Parade u.a.
Freiflächengestaltung: Georg Penker

"Bildung für alle" war der Leitspruch bundesdeutscher Bildungspolitik in den 1960er Jahren. Die Abkehr von den Hochschulzugangsbeschränkungen früherer Staatsformen sollte auch architektonisch manifestiert werden. Keine elitären Bildungstempel waren mehr gefragt, sondern unprätentiöse, funktionale Strukturen, die in ihrem gleichberechtigten Zusammenspiel die demokratische Idee widerspiegeln sollten.

Die Wahl des Brutalismus als Architektursprache mit strukturalistischen Einflüssen für den Düsseldorfer Uni-Campus lag auf der Hand. Die Produktion sollte trotz des riesigen Bauvolumens schnell und preiswert sein. Die Oberflächen der Fertigbauteile wurden nicht aufwendig verputzt oder verkleidet, sondern im unbehandelten, rohen (französisch brut: roh) Zustand belassen. Bei wachsendem Raumbedarf war eine Vergrößerung der Gebäudestrukturen durch Erweiterung mit den standardisierten Bauteilen vergleichsweise preiswert und einfach. Zudem war ein einheitliches Erscheinungsbild der wachsenden Gebäudekomplexe gegeben.

Somit entstand zwischen 1966 und 1979 in Bilk mit dem Uni-Campus eines der größten und bedeutendsten Ensemble des Betonbrutalismus im Bundesgebiet. Südlich der bereits bestehenden medizinischen Akademie ordneten sich die Komplexe der medizinischen, philosophischen und naturwissenschaftlichen Fakultäten und der Verwaltung entlang einer geknickten autofreien Nord-Süd-Achse an. Zentral im Knick liegt die Uni- und Landesbibliothek NRW.

Die verschiedenen Komplexe weisen trotz des übergeordneten strukturalistischen Prinzips eine gewisse architektonische Eigenständigkeit auf und machen sie unterscheidbar. So wurden die Gebäude der medizinischen Fakultät zwar im Stil des Brutalismus gebaut, das strukturalistische Zusammenspiel ist in diesem Komplex aber schwach ausgeprägt. Die philosophische Fakultät wirkt in ihrer architektonischen Ausführung schlicht, die strukturalistische Idee ist aber unübersehbar. Im Komplex der zuletzt gebauten naturwissenschaftlichen Fakultät wurde Strukturalismus und Brutalismus am überzeugendsten kombiniert.
Ich habe dort in den 1990er Jahren Chemie studiert und war sowohl von der hochwertigen Gestaltung der Gebäude, der Außen- wie auch der Innenräume überzeugt. In diesem Zusammenhang sollte die originelle Cafeteria der Naturwissenschaftler Erwähnung finden. Mit ihrer niedrigen Decke, den allgegenwärtigen Brauntönen und ihrer schummrigen Kunstbeleuchtung erinnerte sie mich stark an den Partykeller meiner Eltern. Leider war bereits damals der allgegenwärtige Zerfall der Bausubstanz aufgrund fehlender Instandhaltungsmaßnahmen nicht zu übersehen.

Zu erwähnen ist auch die gelungene Freiflächengestaltung des Landschaftsarchitekten Georg Penker. Großzügige Grünflächen und parkähnliche Anlagen durchziehen die Komplexe und stellen einen Kontrapunkt zu den Betonstrukturen dar. Diese Freiflächen sollten nicht nur zur Entspannung und Erholung der Studierenden dienen, sondern auch den Raum für zukünftige Erweiterungen gewährleisten.

Seit der Jahrtausendwende verschwinden diese Freiflächen und werden durch neue Institutsgebäude belegt. Die Abkehr von der klassenlosen Bildungspolitik (siehe auch die Einführung von Studiengebühren 2007) hin zu Exzellenz- oder Elite-Universitäten drückt sich auch in diesen Gebäuden aus. Bestehende Gebäudekomplexe wurden nicht erweitert sondern durch Solitäre ergänzt. Durch seine Einfallslosigkeit fällt der Neubau der juristischen Fakultät, das "Juridicum" aus dem Jahr 1996 besonders negativ auf. Architektonisch gelungener, aber alleine schon aufgrund seiner geschwungenen Formgebung nicht in das orthogonale Campus-Raster passend, ist das Oeconomicum von Ingenhoven Architects, 2010. Seine aufwendige Gestaltung dürfte mit der Finanzierung durch die private Schwarz-Schütte-Förderstiftung zusammenhängen.
Auch bestehende Gebäude der medizinischen Fakultät wurden modernisiert und die Waschbetonfassaden gegen zeitgeistgemäße Verkleidungen ersetzt.
Diese Individualisierung der Gebäude isoliert sie aus dem strukturalistischen Zusammenhang, zerreißt das Gesamtbild des Campus und führt ihn in die architektonische Beliebigkeit.
Stadtteil Bilk
Aufnahmeort Universitätsstraße
Aufnahmezeitpunkt 14.09.2007 19:45 h